Zwei Welten – eine Lösung

Die Positionen im Spannungsfeld Papier versus IT sind durchwegs kontrovers. Im Rahmen einer Diskussionsrunde hat die Graphische Revue eine IT-Managerin und einen Papierexperten gebeten, die Argumente, die für das eine bzw. gegen das jeweils andere Medium sprechen, auszutauschen.

Print versus Digital

Das Thema Papier versus IT bzw. Print versus Digital kann auf verschiedenen Ebenen diskutiert werden. Das beginnt bei den Nutzungsbedingungen sowie der Sicherheit der unterschiedlichen Medien, geht über den Vergleich von deren Effizienz und (Herstellungs-)Kosten bis hin zu ihrer (Werbe-)Wirksamkeit sowie ihrer Nachhaltigkeit in Bezug auf Produktionsprozesse und Wiederverwertbarkeit. Da diese Ebenen in mehrfacher Hinsicht miteinander verwoben sind – teils auch in einem direkten Ursache-Wirkungs-Zusammenhang –, gehen auch die jeweiligen Argumentationslinien quer durch dieses Themenspektrum.

Für die digitale Welt trat Stefanie Krechl an; sie schloss ein Mas­terstudium in Information Engineering & Information ­Management ab und absolviert zurzeit ein zweites im Bereich Supply-Chain-Management. In den letzten zehn Jahren arbeitete sie immer an der Schnittstelle zwischen IT und Produktion bzw. Logistik. Aktuell ist sie IT-Projektmanagerin bei der TGW Systems Integration.

Den Gegenpart für das Papier übernahm Jos Dijkman; er bekleidet seit dem Jahr 2018 die Funktion des Marketing and Sales Director bei der Lenzing Papier GmbH. Zuvor war er für eine Reihe von Unternehmen als Sales Manager tätig und studierte unter anderem an der Rotterdam School of Management, wo er einen Master of Business Administration (MBA) erlangte.

Sichere Daten
Jos Dijkman nennt als ein Argument für Papier das Thema Sicherheit. Denn man könne sich mit dem Gebrauch von Papier einerseits vor Cyberkriminalität und Datendiebstahl schützen, andererseits sei man damit gegen Systemabstürze, Viren, Stromausfälle, Schäden von Datenspeichern usw. abgesichert. Darüber hinaus könne man die Risiken innerhalb von Prozessen, etwa eines Workflows, reduzieren, versichert Dijkman: »Wenn ich im Rahmen einer IT-Lösung eine Datei falsch einfüge oder mich ­einfach nur vertippe, kann der komplette Prozess schiefgehen. Das Arbeiten mit Papier ist zwar etwas langsamer, ich sehe darin aber eine Möglichkeit, große Katastrophen zu vermeiden.«

Es gebe auch in IT-Systemen Mechanismen, um Fehler zu verhindern, entgegnet Stefanie Krechl: »Die Grundursache bei derartigen Problemen ist ja nicht, ob ein Prozess digital oder nicht digital aufgebaut ist. War ein Prozess auf Papier schlecht, bleibt er digital ebenso schlecht. Wenn ich weiß, wo meine Risiken ­liegen, kann ich Fehler auch im IT-Bereich bewusst vermeiden.« Sie räumt allerdings ein, dass Cyberkriminalität ein Problem darstellt. Betroffen davon seien meist historisch gewachsene, individuell weiterentwickelte IT-Systeme, wo es oft schwierig sei, alle Sicherheitslücken auszuleuchten: »Mit der individuellen Programmierung steigt das Risiko, sich angreifbar zu machen. Der klare Trend geht daher wieder in Richtung Standardlösungen.« Für die Schließung von Sicherheitslücken bzw. den Change zu sicheren Lösungen würde man aber in den meisten Fällen neue Software und Hardware benötigen: »Das kostet Geld.«

Versteckte Kosten
An dieser Stelle hakt Jos Dijkman mit dem aus seiner Sicht wichtigsten Argument gegen die digitale Welt ein: deren versteckte Kosten. Automatisierte Systeme und IT-Lösungen müssten ständig auf dem neuesten Stand gehalten werden, daher müsse man auch immer wieder in sie investieren. Aber auch die Abwehr von Cyberkriminalität oder die Bewältigung von deren Folgen würde Kosten verursachen, die man bei der Implementierung von IT-Systemen nicht auf der Rechnung habe. »Es gibt also sehr viele verdeckte Kosten«, unterstreicht Dijkman. Er verweist auf ein Krankenhaus in der Schweiz, das ein geplantes Datendigitalisierungsprojekt abgebrochen habe, nachdem das Management festgestellt hatte, dass die laufenden Kosten bei rund zwei Millionen Euro im Jahr gelegen hätten. Die Papierlösung habe lediglich 300.000 Euro pro Jahr gekostet. »Hier werden extreme Kosten in Kauf genommen, nur um ein einfaches, funktionierendes Papiersystem zu ersetzen.« In diesem Zusammenhang nennt er einen weiteren Pluspunkt für das haptische Medium. Denn alles, was auf Papier stehe, sei nicht nur sicher, sondern in 100 oder 200 Jahren auch noch vorhanden: »Festplattentechnologien ändern sich laufend, Daten müssen immer wieder neu abgespeichert werden und können trotzdem verloren gehen.«

Suchen, vernetzen, skalieren
Stefanie Krechl hält dem entgegen, dass es auch im digitalen Bereich ausgeklügelte Back-up-Systeme gebe, die Sicherheit bieten und eine langjährige Archivierung ermöglichen würden: »Ich kann auf mehreren Festplatten speichern, mehrere Serverräume einrichten oder auf einer Cloud sichern. Außerdem gibt es Lösungen, wo Daten so auf einer Festplatte verteilt werden, dass sie trotz eines Ausfalls erhalten bleiben.« Für analoge Archive hingegen benötige man Papier und Lagerplatz, die ebenfalls Geld kosten, zudem sei die Wiederauffindbarkeit von Daten dort wesentlich mühsamer: »Die entscheidende Frage lautet: Will ich auch wieder etwas finden? Und ich denke schon, dass man, wenn man im Rahmen eines IT-Systems richtig archiviert, die Suche extrem beschleunigen kann.«

Als weitere Vorzüge der IT sieht Krechl die Möglichkeit zur Vernetzung sowie zur Skalierbarkeit. Immer wenn man einen Workflow oder die Kommunikation intern oder extern vernetzen müsse, sei man mit dem Einsatz von digitalen Medien im Vorteil. Insbesondere im Hinblick auf externe EDI-Anbindungen (EDI = electronic data interchange; elektronischer Datenaustausch) werde das vom Markt verlangt, versichert Krechl und nennt als Beispiel die Digitalisierung von Lieferscheinen: »Wenn ich wettbewerbsfähig bleiben will, muss ich mich vernetzen, wenn es der Kunde von mir fordert.« Jos Dijkman kann diese Entwicklung nicht nachvollziehen, denn es bestehe bei Lenzing Papier kaum eine Nachfrage nach Lösungen wie dem digitalen Lieferschein: »Es ist bei uns kein Verkaufsargument. Jeder Kunde hat sein eigenes System, und jede Anpassung kostet uns als Lieferant viel Geld, das wir nicht zurückbekommen. Und auch in diesem Fall ist es einfach viel sicherer, den Lieferschein auf Papier auszudrucken.«

Werben und verwerten
Eine klare Botschaft hat Dijkman auch für einen anderen Bereich parat: »Werbung braucht Papier. Es ist kein Zufall, dass etwa BMW sagt: Papierbroschüren sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Unternehmenskommunikation. Denn im Gegensatz zur Werbung per E-Mail oder in den sozialen Medien stören und verärgern gedruckte Medien die Empfänger nicht. Papier ist nicht flüchtig, es kann nicht weggeklickt werden, es liegt auf dem Tisch: Papier ist präsent.« Das ruhige Durchblättern eines Printprodukts bringe dem Nutzer ein ganz anderes Erfahrungs- und Wahrnehmungserlebnis als ein Clip auf TikTok.

Das Gegenargument der IT-Managerin lautet, dass man mit auf Daten basierender, zielgenauer Werbung dem Konsumenten besser weiterhelfen könne als mit der Vielzahl von Prospekten, die er bekomme, egal ob er sie überhaupt wolle. Und stellt in diesem Zusammenhang auch gleich die Frage nach deren Entsorgung, denn das Recycling und der Transport des Papiers zu den Recyclingunternehmen verursachen erneut hohe Kosten. Zudem ortet sie noch Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Produktion im Recyclingprozess.

Der Experte antwortet, dass Papier aber immerhin komplett wiederverwertbar sei. Elektroschrott – die derzeit am schnellsten wachsende Müllart – werde im Vergleich noch kaum recycelt. Stefanie Krechl gibt ihm recht, glaubt aber, dass auch in diesem Bereich der Druck der Konsumenten auf die Lieferanten extrem steigen werde: »Man wird dazu übergehen müssen, IT zu recyceln, denn das Nachhaltigkeitsthema ist am Explodieren.«

Haptik versus Bildschirm
Zum Schluss stellt sich die Frage: Ver­wenden die Experten auch das jeweils »andere« Medium? Jos Dijkman räumt ein, LinkedIn zu nutzen. Bevor er mit einem neuen Kunden spreche, könne er sich so über dessen Hintergrund informieren und vice versa der Kunde über seinen: »Wir können uns dadurch besser einschätzen.« Wenn Stefanie Krechl etwas liest, verwendet sie zwar hauptsächlich Kindle, wenn es aber um Basiswerke aus ihrem Fachbereich geht, stellt sie sich ­diese lieber in gedruckter Form ins ­Bücherregal. Wer hätte das gedacht!

www.lenzingpapier.com

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