Die Zukunft ist ein bedrucktes Blatt Papier

So betrachtet, ist Papier alles andere als geduldig: Was einmal gedruckt ist, das steht da und ist nicht zu ändern. Das zwingt zur Sorgfalt und zur Achtsamkeit. Papier zwingt zur Beschränkung: der Informationsgehalt eines A4 Bogens liegt irgendwo in der Größenordnung der x-ten Nachkommastelle dessen, was auf eine fingernagelgroße Speicherkarte geht, von der potentiellen Unendlichkeit der „Cloud“ ganz zu schweigen. Man muß sich also schon überlegen, was man draufschreibt auf das Papier und was nicht.

Wir haben in Effilee Wein- und Restaurantkritiken, die immer ziemlich genau 1000 Zeichen lang sind. Die Manuskripte dazu sind meistens zwischen fünfzig und hundert Prozent zu lang. Aber ich habe noch keinen Text gesehen, der vom Kürzen nicht profitiert hätte. Würde man das Ganze ins Netz stellen, hätte man wenig Grund, sich die viele Arbeit zu machen, die ja nicht nur darin besteht, den Text zu redigieren, sondern auch darin, dem Autor zu erklären, warum man fast jeden zweiten seiner kostbaren Sätze gestrichen hat.

Wo der Wert durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird, geht der Wert gegen Null, wenn das Angebot gegen unendlich geht. Welche Ironie: in der Informationsgesellschaft ist die Information an sich eigentlich nichts mehr wert. Im Print findet gezwungenermaßen eine Bewertung und eine Auswahl statt, es wird entschieden, was gedruckt wird und was nicht. Wenn ich entscheide, einen Artikel zu drucken, bezahle ich eben nicht nur das Honorar, sondern investiere anschließend auch in  Layout, Litho, Schlußredaktion, Druck und Vertrieb. Dadurch wird dem Gedruckten ein Wert zugemessen. Ich bin überzeugt davon, dass Leser das durchaus spüren.

Genau hier liegt auch die große Chance verborgen, die es für das gedruckte Wort gibt. Nehmen wir als Beispiel Kochrezepte: allein chefkoch.de wirbt mit 200.000 Rezepten, was der Hausfrau ausreicht, um über 500 Jahre lang täglich ein anderes Gericht auf den Tisch zu bringen. Effilee veröffentlicht vier Mal im Jahr je sieben „Schnelle Teller“. Rein statistisch ist es durchaus wahrscheinlich, dass unter den 200.000 Rezepten einige sind, die besser und origineller sind. Aber wir haben die sieben ausgesucht, aufbereitet und stehen mit unserer Marke dahinter. Wir bieten Führung und Orientierung. Und das eben nicht nur, weil wir es wollen, sondern weil es in unserem Medium schon angelegt ist. Weil es ganz und gar organisch dazu gehört. Sehen wir es so: Die lästige Pflicht der Grundversorgung mit Informationen haben wir abgeworfen. Das können andere heute besser. Dafür können wir uns jetzt den interessanten Dingen zuwenden. Die Zukunft liegt nicht im Beliebigen. Das Leben ist endlich und alles was gut ist im Leben auch. Die Zukunft ist ein bedrucktes Blatt Papier.

Wir haben den Artikel mit freundlichen Genehmigung von Agfa Graphics aus den e.pressions übernommen

Zur Person
Vijay Sapre ist Herausgeber von „Effilee“, dem Magazin für Essen und Leben, das vier Mal pro Jahr erscheint. Der Hamburger arbeitete zunächst als freier Werbetexter für verschiedene Agenturen. 1996 gründete er zusammen mit einem Partner die Gebrauchtwagenbörse Mobile.de. 2004 verkaufte er das Portal an den Online-Martkplatz Ebay. Nach einem Praktikum bei einem Sternekoch startete er 2008 zusammen mit seiner Frau das Projekt „Effilee“.

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