Heidelbergs Fünf-Jahres-Plan – alter Wein in neuen Schläuchen?

Die Heidelberger Druckmaschinen AG hat eine neue Wachstumsstrategie vorgestellt, um Umsatz und Ergebnis bis 2022 zu steigern. Teil dieses Konzeptes sind die Akquisition des Softwareanbieters Docufy und der Erwerb der Fujifilm Lacke & Druckchemikalien. Hört sich zunächst interessant an, bei genauerem Hinsehen kommt einem einiges allerdings doch sehr bekannt vor. Nennen wir es einfach Kontinuität. Von Klaus-Peter Nicolay

Im Rahmen der Bilanzpressekonferenz am 8. Juni präsentier­te der Heidelberg-Vorstand ein Maßnahmenpaket, das unter dem Namen ›Heidelberg goes Digital‹ den Fokus auf Technologieführerschaft, digitale Transformation und operative Exzellenz lenken soll.

An kernigen Schlagworten wird also zunächst einmal nicht gespart. »Heidelberg wird in den nächsten fünf Jahren wieder der wachstumsstarke und profitable Leuchtturm unserer Branche werden«, wird der Heidelberg-Vorstandsvorsitzende Rainer Hundsdörfer, in einer Pressemitteilung zitiert. »Wir ha­ben die Erfolgsfaktoren hierfür definiert und bereits die ersten Maßnahmen eingeleitet. Da­mit beginnt für Heidelberg eine neue Wachstumsära.«

Nach der Rückkehr in die Gewinnzone soll der Konzernumsatz bis zum Jahr 2022 auf rund 3,0 Mrd. € steigen. Im Geschäftsjahr 2016/17 lag er bei knapp über 2,5 Mrd. € (siehe auch Seite 2). Dabei ist Heidelberg mit seinem straffen Restrukturierungsprogramm und Portfolioumbau der Turnaround in die Gewinnzone gelungen. Innerhalb der vergangenen fünf Jah­ren wurde aus dem Verlust von 230 Mio. € ist aktuell ein Gewinn von 36 Mio. €.

Das nunmehr avisierte Wachstum soll durch eine Reihe von Maßnahmen angeschoben werden. Dazu wur­de der Konzern zum 1. April 2017 erst einmal umstrukturiert und die beiden Segmente Heidelberg Digital Technology (HDT) sowie Heidelberg Digital Business und Services (HDB) etab­liert. Bei HDT sind das Bogenoffset-Geschäft, der Etikettendruck und die Druckweiterverarbeitung zusammengefasst. Hier sollen die Technologien und Produkte auch für neue Geschäftsmodelle entwi­ckelt, produziert und vermarktet werden. Bei HDB steuert Heidelberg sei­ne Geschäfte mit Services und Verbrauchsmaterialien, Gebrauchtmaschinen sowie die digitalen Drucktechniken.

Denken wie die Kunden
Das mag Heidelberg-interne und organisatorische Gründe haben, doch es könnte auch ein Zeichen dafür sein, dass es Heidelberg nicht mehr nur um Maschinen, Tinten und Toner geht, sondern ernsthaft um die Situation bei den Druckereien.

Denn für die ist die Zeit des Träumens von Aufträgen, die unweigerlich einer Maschineninvestition folgen, definitiv vorbei. Druckereiunternehmer prüfen heute sehr genau, ob sie wirklich eine neue Maschine brauchen, ob der Auftrag nicht vielleicht besser von einem Kollegenbetrieb (zum Beispiel auch einer Online-Druckerei) erledigt werden und ob eine Maschine, die um 30% (oder mehr) produktiver ist, überhaupt ausgelastet werden kann. Viel wichtiger sind heute Dienstleistungen rund um einen Druckauftrag. Das erfordert offene oder kundenspezifische Web-Shops, kreative Leistungen und CI-Umsetzungen, ein Mehr an Marketing- und Kommunikations-Know-how in den Druckereien, das verlangt nach Fähigkeiten, Mailing-Aktionen zu planen und durchzuführen, Probleme im Datenstrom zu lö­sen, Optimierungen im Arbeitsablauf der Kunden vorzunehmen oder mit Lagerhaltung und Logistik-Organisation auch Risiken für die Kunden zu übernehmen.

In diese Richtung hat sich die Druckbranche bereits entwickelt. Das hat Heidelberg in all den zurückliegenden Krisenjahren erlebt, offenbar für sich erkannt und auf den Weg vom reinen Maschinenbauer zum Technologieanbieter gewandelt, der ›die Denke‹ der Kunden nachvollzieht.

Technologieführerschaft
Zwar setzt Heidelberg weiterhin auf technologische Führerschaft durch ständige Innovationen, doch geht es dabei nicht um die eigene Ingenieurskunst, sondern um die Effizienz aller Prozes­se, um die Produktivität in den Druckereibetrieben zu steigern und dort die Kosten zu senken. Dass Heidelberg dabei eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung (Smart Print Shop, Push-to-Stop-Konzept) und beim industriellen Digitaldruck mit den Produktreihen Labelfire und Primefire anstrebt, ist nachvollzeihbar.

Denn natürlich will Heidelberg seine Produkte bestmöglich verkaufen und den Anteil am Digitaldruck (gemeint ist der Anteil am Konzernumsatz) von derzeit unter 5% auf 10% verdoppeln. Damit soll ein zusätzliches Umsatzpotenzial von rund 200 Mio. € bis 2022 generiert werden. Dieses Potenzial im Digitaldruck hatte Heidelberg allerdings schon einmal im Dezember 2013 ausgemacht. Damals hatte das Unternehmen jedoch noch eine andere Struktur.

Inzwischen ist die Schweizer Gallus-Gruppe hinzugekommen, deren Etikettendruckmaschine Labelfire dem Digitaldruck zuzuordnen ist und die Primefire 106 gab es auch noch nicht. Das angesprochene Potenzial von 200 Mio. € in fünf Jahren bedeutet aber, dass Heidelberg etwa 40 Mio. € Umsatz pro Jahr mit digitalen Druckmaschinen (plus oder inklusive Verbrauchsmaterialien?) machen will.

Besonders ambitioniert klingt das aber nicht gerade, wenn man sich vor Augen hält, dass Wettbewerber wie Landa ihre Zeitpläne nicht halten können, während die Primefire bereits im Feldtest produziert. Dazu kommt, dass andere Wettbewerber im Digitaldruckgeschäft wie Xerox oder Ricoh mit sich selbst beschäftigt sind, sich konsolidieren oder restrukturieren und auch HP trotz guter Verkäufe keine adäquaten Zahlen liefert. Vielleicht ist das aber auch der Grund, weshalb lieber mit etwas konvervativeren Zahlen operiert als man erwarten könnte.

Digitale Transformation

Unter digitaler Transformation versteht Heidelberg auch die Integration der bislang eher getrennten Bereiche Equipment, Software, Service und Consumables. Hier sollen die Kunden über eine E-Commerce-Plattform adressiert werden.

In den kommenden fünf Jahren soll Heidelbergs Marktanteil (hierbei ist jetzt der weltweite Marktanteil gemeint) bei Verbrauchsmaterilien von heu­te 5% auf knapp 10% zulegen und ein zusätzlicher Umsatz von 250 Mio. € gehoben werden.

In diesem Zusammenhang ist auch die Übernahme des Europageschäfts mit Lacken und Druckchemikalien von Fujifilm zum 1. Juli 2017 mit einem Umsatzvolumen von rund 25 Mio. € zu sehen. Das erstaunt ebenfalls. Denn von einem Marktanteil zwischen 8% und 10% war bei Heidelberg schon Ende 2014, als man einem Marktanteil von 5% nannte und einen Umsatz von 400 Mio. €. Das hieße aber auch,  dass sich Heidelberg seither nicht weiterentwickelt hat. Der Markt für Consumables dürfte nämlich nicht gewachsen sein , auch wenn bei Heidelberg gerne von einem att­raktiven Wachstumsmarkt die Rede ist.

Zweifellos expandiert Heidelberg bei den Consumables mit der Übernah­me des bisherigen Fujifilm-Geschäftes. Wie das jetzt zugekaufte Volumen von 25 Mio. € Umsatz in den nächsten Jahren auf 250 Mio. € verzehnfacht werden soll, ist jedoch nur schwer nachzuvollziehen.                                 .

Während das Wachstum mit Consumables eher analogen Charakter hat, beinhaltet digitale Transformation für Heidelberg, das vorhandene Know-how bei anderen Unternehmen im Anlagen- und Maschinenbau anzubieten. Hier käme Heidelberg die Expertise bei Software und Engineering im Zuge von Indus­trie 4.0 etwa über die Möglichkeit des Angebots einer IT-Suite, einer cloudbasierten Plattform und von Produktionskapazitäten zugute. So ließen bereits heute Unternehmen aus dem Indus­triesektor wie BigRep ihre Produkte zur additiven Fertigung (3D-Drucker) von und bei Heidelberg produzieren. Mit solchen Geschäften sollen bis 2022 zusätzliche Umsätze von rund 50 Mio. € bei einer überproportionalen Profitabilität geschaffen werden. Die Akquisition des Softwareanbieters Docufy zum Ausbau des Angebotes rund um Industrie 4.0 unterstreicht diese Ambitionen.

Jahr der Wegbereitung
Aber neben Technologieführerschaft und digitaler Transformation, die als strategische Themenblöcke bis 2022 zusätzliche Umsätze von mindestens 500 Mio. € generieren sollen, will sich Heidelberg mit ›operativer Exzellenz‹ und Effizienzverbesserungen auf allen Ebenen zu einem ›agilen Unternehmen‹ entwickeln.

Wie auch immer der Begriff agil definiert wird, Heidelberg will ohne neues Restrukturierungsprogramm die Strukturen und Prozesse weiter verschlanken und den angekündigten Umzug der Abteilung Forschung und Entwicklung von Heidelberg nach Wiesloch-Walldorf realisieren. Hier sieht der Heidelberg-Vorstand in den nächsten fünf Jahren Kostensenkungen mit einem Potenzial von rund 50 Mio. €. Darüber hinaus sollen die Finanzierungskosten durch fortlaufende Optimierung um rund 15 Mio € reduziert werden.

Im Geschäftsjahr 2017/18 legt Heidelberg die Schwerpunkte seiner Unternehmensstrategie demnach auf Portfolioerweiterungen in Märkten wie dem Verpackungs- und Etikettendruck, dem Digitaldruck, bei Verbrauchsmaterialien und Software. Durch Vernetzung seines Lösungsangebotes will Heidelberg die Digitalisierung auch bei seinen Kunden vorantreiben und sich mit neuen Geschäftsmodellen an den Bedürfnissen der Kunden ausrichten.

Dies wird sich laut Heidelberg im laufenden Geschäftsjahr noch nicht spürbar niederschlagen, soll aber ab dem Geschäftsjahr 2018/19 zu kontinuierlich steigenden Umsätzen führen. Das laufende Geschäftsjahr soll  einen Umsatz auf Vorjahresniveau bringen, denn infolge der anstehenden Transformationsaktivitäten und Optimierungen geht Heidelberg von erheblichen Kosten aus.

Die Kirche im Dorf lassen
Natürlich ist es erfreulich, dass Heidelberg Plä­ne vorlegt, die den Blick nach vorn richten, statt weiter zu restrukturieren. Allerdings kann man es mit der Digitalisierung auch übertreiben. Natürlich ließe sich die Kollekte in der Kirche online erledigen. Vielleicht sollte man die Kirche aber auch im Dorf lassen und die Din­ge einfach beim Namen nennen, ohne gleich ein digitales Geheimnis da­raus zu machen. Denn warum nun ausgerechnet die Übernahme des Fujifilm-Geschäftes mit Drucksaal-Chemikalien den Weg ins digitale Zeitalter ebnen soll, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Und den Lack online zu verkaufen, dürfte selbst für Heidelberg ein alter Hut sein, nachdem ein entsprechendes Portal seit Ende 2014 online ist.

So mag die neue Wachstumstrategie nicht ganz zu überzeugen, da sie an Punkten festmacht, die Heidelberg schon seit längerer Zeit identifiziert hat. Aber was soll’s: Ein neuer Vorstand kann eben nur Neues tun, auch wenn er alten Wein in neuen Schläuchen verkauft. Aber wenn der Slogan ›Heidelberg goes digital‹ da­zu beiträgt, den Kurs der Aktie zu befeuern, hat sich das zumindest ausgezahlt.

0

Dein Warenkorb

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen