Oliver Zünd im Interview: Langfristig Denken und frühzeitig handeln

Es gibt sie noch, die eindrucksvollen Erfolgsstories. Seit mehr als drei Jahrzehnten schreibt die Zünd Systemtechnik AG aus Altstätten im Schweizer Rheintal an einer solchen Geschichte. Das Familienunternehmen, das in zweiter Generation von Oliver Zünd geführt wird, ist Spezialist für digitale Schneidesysteme, konstruiert, produziert und vermarktet seit 1984 solche Cutter und zählt weltweit zu den führenden Herstellern. Von Klaus-Peter Nicolay

Oliver Zünd

Die digitalen Flachbettschneidsysteme sind gefragte Lösungen für den Zuschnitt verschiedenster Materialien und werden rund um den Globus in höchst unterschiedlichen Anwendungsbereichen eingesetzt. Kunden von Zünd sind gewerbliche Dienstleister aus der grafischen Branche und Verpackungsindustrie, der Bekleidungs- und Lederbranche, aus dem Textil- und Compositemarkt sowie Industrieunternehmen mit ganz speziellen Aufgaben. Etwa die Hälfte der gut 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schweizer Technologieunternehmens sind am Hauptsitz in Altstätten beschäftigt, wo sich Forschung & Entwicklung, das Marketing und die Produktion des Unternehmens befinden. Zünd bekennt sich zum Produktionsstandort Schweiz und ist einer der bedeutendsten Arbeitgeber der Region. Neben den eigenen Verkaufsgesellschaften und Serviceorganisationen in Mitteleuropa und den USA arbeitet Zünd international mit langjährigen Vertriebspartnern zusammen. Wir haben bei CEO Oliver Zünd nachgefragt, was den langfristigen Erfolg des Unternehmens ausmacht.

Herr Zünd, die heutige Zünd Systemtechnik AG ist in nur 37 Jahren vom Kleinbetrieb zum Global Player gewachsen. Das ist eine beachtliche Entwicklung, zumal die ersten Jahre ja recht ungewöhnlich verliefen.
Oliver Zünd: 1984 hat mein Vater Karl Zünd ein kleines Unternehmen in Altstätten gegründet und unter anderem Zeichenplotter von Wild in Europa verkauft. 1986 hat er erste Werkzeugköpfe und Peripheriegeräte für diese Flachbett-Plotter entwickelt. Daraus entstand der erste Zünd Cutter, der P-1200, der 1989 Premiere feierte. 1994 übernahm er dann die Produktion, den operativen Verkauf und die Serviceorganisation der Wild Plotter AG und setzte im Folgenden Meilensteine in der Unternehmensgeschichte Zünd und im Markt der Schneideplotter.

Ich kann mich noch an den Aufschrei in Teilen der Branche erinnern, als sich Zünd aus dem stürmisch wachsenden Markt des Large Format Printing trennte und sich nur noch auf die Herstellung von multifunktionalen Cuttern konzentrierte.
Das war möglicherweise für viele ein unerwarteter Schnitt – für uns aber der richtige Schritt. Denn Ende der 1990er Jahre stellte sich im Druckermarkt das „Große Fressen“ ein. Solche Übernahme-Phasen sind durchaus üblich in jungen, aber rapide wachsenden Märkten und oftmals auch erste Anzeichen einer Sättigung. Dem konnten wir uns entziehen, indem wir uns auf den Bereich des Finishings konzentriert haben und seither kontinuierlich, organisch und mit eigenen Mitteln gewachsen sind. Hier war noch reichlich Platz für Expansion.

Ist das heute noch so?
Der Wettbewerb ist mit dem Markt natürlich deutlich gewachsen. Vor allem in den letzten Jahren gab es immer wieder asiatische Hersteller, die verblüffend ähnliche Produkte vorstellten. Generell ist der Konkurrenzdruck aus Asien bei den Schneidsystemen ähnlich hoch wie bei den Großformatdruckern. Allerdings sind die entwicklungstechnischen Eigenleistungen asiatischer Unternehmen eher überschaubar. Vielfach sind solche Systeme deutlich günstiger als unsere, kommen allerdings nicht im Entferntesten an unsere Lösungen heran. Aber man kann nicht wirklich etwas dagegen tun, kopiert zu werden.

Wie sieht es denn mit dem Wettbewerb aus den USA und Europa aus?
Es ist teilweise schwierig, sich auf einzelnen Märkten durchzusetzen. Gerade in Europa und den USA gibt es ernstzunehmende Konkurrenz.

Wie schafft es Zünd dennoch, immer eine Spitzenposition zu halten?
Der sicherste Weg, den wir eingeschlagen haben, ist: Noch innovativer, noch schneller und vor allem noch näher am Kunden zu sein als andere. Das heißt, wir stützen unser Geschäft auf den direkten Kontakt mit unseren Kunden und deren Kunden. Dabei hilft uns die rege Beteiligung an Fachmessen, unsere Sicht auf die Märkte aktuell zu halten und Trends frühzeitig zu erkennen sowie auszuloten.

Sie argumentieren aber auch damit, dass Sie sich mit typisch schweizerischen Eigenschaften von der Konkurrenz abheben. Der Begriff „Swissness“ wird dabei mit Eigenschaften wie höchste Präzision im Maschinenbau, mit extrem zuverlässigen Produktionssystemen und mit einer nachhaltigen Produktion in Verbindung gebracht.
Richtig, das sind Werte, die mir persönlich und uns als inhabergeführtes Familienunternehmen sehr wichtig und die tief in unserer Unternehmens-DNA verwurzelt sind. Das sind täglich gelebte Werte. Wir setzen darüber hinaus auf sehr gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und haben mit etwa 50 Personen eine große Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Das ist für ein Unternehmen unserer Größe ein sehr hoher Anteil.

Nehmen Sie die Inspiration für die Unternehmens- und Produktentwicklung aus der Kombination globale Präsenz und Regionalität?
In gewisser Weise ja. Aber vor allem zeichnet uns langfristiges Denken aus. Diese Philosophie verleiht uns mehr Freiheit und Spielraum als quartalsgetrieben vorgegebenen Renditen kurzfristig nachjagen zu müssen. Unsere Schneidsysteme werden in Altstätten konzipiert, entwickelt und produziert. Verkauft werden sie weltweit, wobei unsere internationalen Standorte für Vertrieb und Service zuständig sind. So stellen wir die hohe Qualität der Produkte sicher und sind gleichzeitig weltweit vertreten. Mit diesem Konzept bestehen wir seit vielen Jahren auf den internationalen Märkten.

Und wie verfolgen Sie die Anwendungen Ihrer Produkte und Lösungen im Hinblick auf Innovation und Kundennutzen?
Wir arbeiten, wann immer möglich, eng mit unseren Kunden zusammen. Bei neuen Produkten sind das Beta-Kunden, die idealerweise in unserer Nähe angesiedelt sind. So können wir Anwendungen testen und praxisnah optimieren. Aber auch generell werden Kundenfeedbacks bei uns gebündelt, so dass wir alle relevanten Anregungen aufgreifen und implementieren können. So können wir auch schnell und flexibel auf neue Marktsituationen reagieren.

Dass Zünd Cutter auf der ganzen Welt zum Einsatz kommen, hat letztlich auch technologische Gründe. Was macht sie so einzigartig?
Unsere Cutter sind enorm vielseitig einsetzbar, können jederzeit an neue Anforderungen angepasst werden und lassen sich mit offenen Schnittstellen in digitale Workflows integrieren. Deshalb werden Zünd Cutter auch in vielen verschiedenen Anwendungen eingesetzt: in der Werbetechnik etwa oder in der Verpackungsherstellung. Gerade in diesen Bereichen sind die Produktionsprozesse weitgehend digital und automatisiert. Flexibilität bei maximaler Individualität ist heute ein Muss für jede Art von Produktionsanlagen. Außerdem setzen wir auf Langlebigkeit und andere wichtige Faktoren wie Produktivität.

Produktivität ist ein gutes Stichwort. Zünd Cutter stellen ja keine kompletten Produkte, sondern eigentlich nur Halbfertig- oder Teilprodukte her. Welchen Beitrag kann Zünd denn in Sachen Effizienz, Produktivität und Automatisierung überhaupt leisten?
Gerade die Automatisierung von Teilprozessen ist für Zünd eine der wichtigsten Aufgaben überhaupt. Dabei stehen die Steigerung der Effizienz, das Reduzieren von unproduktive Maschinenzeiten und das Eliminieren manueller Arbeitsschritte im Vordergrund. Dazu haben wir Automatisierungslösungen, Roboter, vollautomatische Werkzeugwechsler und vielerlei mehr neue Technologien vorgestellt. In Summe werden damit Einrichtezeit reduziert, Bedienfehler ausgeschlossen und die Produktivität massiv erhöht.

Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum Zünd gerade hier so starke Aktivitäten entwickelt hat. Das ist der allgemeine Trend zu immer kleineren Auflagen in immer höherer Frequenz bei gleichzeitig immer kürzeren Zeitfenstern. Bei kürzeren Durchlaufzeiten und steigenden Auftragsmengen kommt man um eine automatisierte Weiterverarbeitung nicht umhin. Deshalb bieten wir auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnittene automatisierte Lösungen an, die – integriert in den jeweiligen Produktionsworkflow – sogar eine unbeaufsichtigte Produktion erlauben.

Und drittens hilft die Automatisierung unseren Kunden, die Vielzahl an unterschiedlichen Produkten, die der Digitaldruck und digitale Fertigungsweisen in anderen Industrien ermöglichen, wirtschaftlich und effizient weiterzuverarbeiten. Wir geben mit unseren Zünd Cuttern also eine Antwort auf die steigende Nachfrage nach individualisierten Produkten in kleinen und mittleren Auflagen. 

Damit erübrigt sich eigentlich die Frage, mit welchen Themen sich Forschung und Entwicklung bei Zünd derzeit beschäftigen.
Das würde ich Ihnen sowieso nicht im Detail verraten. Aber so viel: Wir beschäftigen uns permanent mit der Verbesserung unserer hochleistungsfähigen Cutter. Zentrale Themen sind mehr Effizienz und Prozessautomatisierung, um Leistungssteigerungen und noch kürzere Durchlaufzeiten zu erreichen. Darüber hinaus arbeiten wir intensiv an der Vielseitigkeit unserer Cutter. Unsere Kunden können dadurch die Einsatzmöglichkeiten erhöhen, neue Anwendungsgebiete erschließen und noch flexibler werden.

Wenn sich ein Kunde für eine Nachrüstung entscheidet: Ist die Größe des Cutters das Einzige, was er nicht ändern kann?
Die Modularität macht die Zünd-Cutter und -Werkzeuge multifunktional. Über die Jahre ist das weltweit größte und vielseitigste Angebot zum Schneiden, Zeichnen, Fräsen, Rillen, Perforieren, Stanzen, Gravieren, Lasern etc. entstanden. Bestehende Maschinen lassen sich dank ihrer modularen Bauweise jederzeit um- und nachrüsten. So wachsen die Anlagen mit den Bedürfnissen der Anwender und werden noch langlebiger.

Schweizer Produkte haben aber üblicherweise auch den Ruf, nicht gerade die preiswertesten am Markt zu sein.
Richtig, auch unsere Systeme haben ihren Preis. Auf den ersten Blick sind sie zwar eher teuer, nicht aber, wenn die Kosten über die gesamte Lebensdauer des Produkts betrachtet werden. Schließlich geben wir auch das Versprechen, dass sie wartungsarm und langlebig sind. Und unsere Kunden können offenbar rechnen: Zünd hat weltweit mehr Schneidesysteme installiert als jedes andere Unternehmen.

Zünd bekennt sich nach eigenem Bekunden zum Produktionsstandort Schweiz. Aus internationaler Sicht ist die Schweiz aber ein sehr teurer Produktionsstandort. Eine Produktion jenseits der Grenze, die ja nur einen Steinwurf entfernt ist, wäre ja durchaus denkbar?
Unser Bekenntnis zum Standort Schweiz ist ja keine Gefühlsduselei oder heimatverbundene Folklore. Natürlich bauen wir nicht alles selbst, sondern kaufen elektronische Bauteile auch global zu. Aber über zwei Drittel der Maschinenkomponenten beziehen wir von über 30 Lieferpartnern aus der Region im Rheintal. Das sind innovative und langjährige Partner, integriert in die Prozesse unseres Unternehmens, die uns mit Just-in-time-Lieferungen unterstützen und eine flexible und leistungsfähige Endmontage erlauben. Das garantiert eine konstant hohe Fertigungsqualität. Dank dieser durchgängigen Qualitätssicherung entstehen erstklassige Produkte „Made in Switzerland” mit langer Lebensdauer, präzise und zuverlässig. Außerdem garantieren kurze Kommunikationswege auch kurze Lieferzeiten. Und kurze Transportwege schonen die Umwelt.

Dass Zünd Nachhaltigkeit in seinem Business nicht nur an kurzen Transportwegen und Langlebigkeit fest macht, wird ja auch an ihrem Unternehmenssitz sichtbar. Die moderne Architektur integriert eine naturnahe Arealgestaltung, großflächige Glasfronten lassen Licht in die Arbeitsräume und machen sie transparent und im Atrium pflegen Sie ein Feuchtbiotop.
Zünd nimmt seine Verantwortung für die Umwelt schon seit vielen Jahren ernst. Unser Firmensitz ist das erste Passiv-Industriegebäude der Schweiz. Die gesamte Haustechnik sowie die Gebäudehülle entsprechen den hohen Anforderungen des Minergie-P-Standards der Schweiz, der 2003 eingeführt wurde. In Zahlen gefasst: Die Energieeinsparung entspricht dem Bedarf von 30 Einfamilienhäusern. Der CO2-Ausstoß reduziert sich im Vergleich zu herkömmlichen Industriegebäuden auf weniger als 20 Prozent.

Das ökologische Engagement von Zünd manifestiert sich genauso aber auch in der Zertifizierung nach der Umweltmanagement-Norm ISO 14001 oder unserem neuen, firmeneigenen NaNuGarten, einem Natur- und Nutzgarten. Während letzterer unser Personalrestaurant mit frischem, biologischem Salat und Gemüse beliefert, deckt der Naturgarten den Tisch für Vögel und Insekten, Reptilien und zahlreiche Kleintiere. Nachhaltig sind nicht zuletzt auch unsere Cutter: Je länger ein Produkt nutzbar ist, umso günstiger fällt die Umweltbilanz aus.

Wie schätzen Sie die Entwicklung der Print-Herstellung für Ihre Kunden und generell im Digitalzeitalter ein?
Print hat aus unserer Sicht nach wie vor viel Potenzial. Allerdings nimmt der Wettbewerb zu und die Druckkapazitäten steigen weiter, während sich das Druckvolumen anders verteilt. Die Struktur der Print-Aufträge verändert sich – insbesondere die Auflagenhöhe pro Job, die stetig kleiner und individualisierter wird. Es ist ja längst schon die Rede von Mass Customization, also der massenhaften industriellen Produktion in Auflage 1. Das kommt uns und unseren Kunden natürlich entgegen, es beflügelt das Geschäft mit dem Cutting und mit individualisierten Printproduktionen.

Und wie sollte ein Print-Dienstleister vor diesem Hintergrund in Zukunft aufgestellt sein?
Ideal positioniert ist ein Druckereibetrieb, der weiß, wie er mit digitalem Druck unter Einsatz neuer Materialien und Technologien neue Kunden ansprechen und neue Märkte erschließen kann. So aufgestellt, wird er mit neuen Anwendungen und mit Hilfe unserer Hochleistungscutter innovative Lösungen schaffen, die gefragt sind.

Herr Zünd, vielen Dank für das Gespräch.

www.zund.com

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