Graphische Revue: Wie ist das Jahr 2024 bisher für die Durst Group gelaufen?
Christoph Gamper: Alle Bereiche sind durchaus erfolgreich. Große Freude machen uns die Märkte in Nord- und Südamerika. Auch Italien und Deutschland laufen sehr positiv. Die Situation am französischen Markt stellt sich schwieriger dar. Aber über alle Märkte hinweg rechnen wir mit einem starken zweistelligen Wachstum und mit einem soliden Profit. Vor allem mit unseren Lösungen für den Etiketten- als auch im LFP-Bereich sind wir erfolgreich. Das Segment Keramik ist stabil, und alle neue Geschäftsbereiche sind auf Schiene.
Die Durst Group hat auf der durpa ein Feuerwerk an Innovationen abgeschossen. Welche Lösungen kamen am Markt besonders gut an?
Die hybride Etiketten-Produktion mit der KJet ist das Ergebnis aus der Zusammenarbeit mit Omet. Hier haben wir hinsichtlich Produktivität und Flexibilität in der Konfiguration der Maschinen einen Meilenstein gesetzt. Die Entwicklung des P5 Super-Multi-Pass-Systems ist abgeschlossen, und wir gehen noch in diesem Jahr in den Betatest. Das Interesse vor allem von Kunden aus den USA und Europa ist überwältigend. Darüber hinaus hat uns die drupa geholfen, unser gesamtes Portfolio im Markt zu verankern. Und mit der VariJet 106 für die digitale Faltschachtel-Produktion haben wir gezeigt, wohin die Reise geht. Die ersten drei Installationen sind im Markt und sollten bis Ende des Jahres die Betatest-Phase verlassen. Dann gehen wir in Serie.
Wobei das digitale Drucken alleine noch keinen Mehrwert schafft. Dazu muss man die gesamte Prozesskette ändern. Im Etikettenmarkt sind wir schon sehr weit, der Faltschachtel-Druck wird in den nächsten Jahren abheben, die Wellpappe braucht noch Zeit. Der Verpackungsmarkt tickt einfach anders, und die Investitionszyklen sind länger. Aber der Verpackungsmarkt ist für das zukünftige Wachstum der Durst Group ganz essenziell.
Bei allem, was die Durst Group in den letzten Jahren initiiert hat, besteht da nicht die Gefahr, den Fokus zu verlieren?
Diese Gefahr sehe ich nicht. Jedes Segment wird als eigenständige Business-Unit mit einer eigenen Erfolgsrechnung geführt. Bei der Software verzeichnen wir ein enormes Wachstum, der LFP-Bereich ist von einem Verdrängungswettbewerb gekennzeichnet, und im Textilbereich muss man sich die Frage stellen, ob man bei dem Wahnsinn von Fast Fashion überhaupt mitmachen will. Dort arbeiten wir an komplett neuen Lösungen. Erste Lösungen werden wir auf der ITMA 2027 vorstellen. Im Verpackungsbereich verfolgen wir eine klare Strategie und werden in Zukunft auch die flexible Verpackung abdecken.
Die Start-ups sind im Kraftwerk organisiert. Das ist ein Sandkasten für innovative Technologien, der sehr klar auch vom Investment definiert ist. Dieser Innovationsgeist hilft uns, die Stabilität der gesamten Gruppe abzusichern.
Was sind die größten Herausforderungen, um diese Wachstumsstrategie auf den Boden zu bringen?
Die richtigen Menschen zu finden und sie dort zu positionieren, wo sie sich am besten entfalten können. Und dann in weiterer Folge zu motivieren, dass sie die Unternehmensphilosophie mittragen und auch leben. Das ist weitaus schwieriger als die Erschließung neuer Märkte oder die Einführung neuer Technologien. Das Spannungsfeld in der Mitarbeiterführung liegt einerseits in der Formulierung einer klaren Strategie, anderseits in der Schaffung eines Freiraums, in dem Innovationen entstehen können. Das sind die großen Herausforderung für mich!
Durst hat ein digitales Ökosystem entwickelt. Ist Durst damit auch ein IT-Dienstleister?
Ich denke, wir sind schon längst ein IT-Dienstleister. Wir betreuen Kunden, bei denen wir mit unseren ERP- und Workflow-Systemen das gesamte Unternehmen – von der Administration bis zur Produktion und Logistik – steuern. Ist das unser Kerngeschäft? Nein, aber es gibt uns die Möglichkeit, die Prozesse bei unseren Kunden zu verstehen und darauf aufbauend effiziente Lösungen zu entwickeln, mit denen wir die Wertschöpfung unserer Kunden steigern können. Prozesse zu vereinfachen und weiter zu optimieren, darum geht es und um nichts anderes!
Nutzt ihr die anfallenden Daten aus dem Workflow auch zur Beratung der Kunden?
Wir statten jede Maschine mit Analyse-Tools aus und haben auch ein Team geschaffen, das diese Daten auswertet. Dabei helfen wir dem Kunden, Aufträgen von der analogen auf eine hybride oder rein digitale Produktion umzuschichten, sodass sich die Maschinen auch rechnen. Das machen wir aber kostenlos, da es unser ureigenstes Interesse ist, dass der Kunden erfolgreich ist und wieder bei uns investiert.
Was tut sich aktuell im Kraftwerk, gibt es schon erste Erfolge?
Ein erfolgreiches Start-up ist etwa Covision Media. Meta und Meta Reality Labs haben auf Basis der Technologie von Covision den weltweit größten und höchstwertigen 3D-Objektmodell-Datensatz erstellt und als Digital- Twin-Catalog veröffentlicht. Ein weiteres Beispiel kommt aus dem Bereich des Additiven Manufacturing für die technische Keramik. Das Feedback ist aufgrund der werkzeuglosen Herstellung und der Breite an Applikationen sensationell. Hier steckt ein enormes Potenzial in der Materialforschung, das wir gemeinsam mit mehreren Universitäten heben werden. Wir suchen gerade auch einen neuen Lead-Investor für das Kraftwerk, da wir unseren Anteil zurückfahren wollen.
Das Thema Nachhaltigkeit ist auch in der Werbetechnik angekommen. Wie geht ihr dieses Thema an?
Hier wird sehr viel Schindluder betrieben. Digital ist nicht automatisch nachhaltiger. Kann man Werbetechnik nachhaltiger gestalten? Ja, durchaus. Wir verfolgen das Ziel, bei jeder Maschine den Energieverbrauch pro Jahr um 7 bis 10 Prozent zu senken. Ich denke, der größte Faktor liegt bei den Bedruckstoffen, und ein gangbarer Weg wäre die Entwicklung von Monomaterialien, die recycelbar sind. Ein weiteres Thema ist die konsequente Rückverfolgbarkeit der Materialien, um Klarheit zu schaffen, wo und wie diese produziert wurden.
What comes next bei Durst?
(Lacht) Eine Woche Urlaub! Wir brauchen mehr Produktionsfläche, deshalb werden in Como für die Durst Süd einen Neubau errichten. Wenn die Produkte, die wir vorgestellt und in der Pipeline haben, am Markt einschlagen, brauchen wir mehr Platz. Wir bleiben aber in Europa und zwar in Norditalien, um diese italienische Excellence im Maschinenbau auf den Boden zu bringen. Hier werden wir ein modernes Werk errichten. Eine weitere Überlegung ist die Schaffung eines großen Software-Hub in Kufstein, um dort den Bereich der Front- und Backend-Entwicklung aufzuziehen. Kufstein ist aufgrund seines großen Einzugsgebiets ein interessanter Standort. Und das nächste große Thema, das wir angehen werden, ist die flexible Verpackung auf der Tau-Plattform.
Christoph, danke für das Gespräch!