Analoge Spielregeln

Schwer zu glauben, aber Brettspiele verzeichnen trotz des anhaltenden Hypes um Videospiele ein Wachstum. Ja, und zwar gar nicht so knapp. Neun Prozent sollen es jährlich bis zum Jahr 2022 sein. Eine Spurensuche von Knud Wassermann.

Brettspiele

Die Digitalisierung hat auch die Berufsvorstellungen junger Menschen mehr als auf den Kopf gestellt. Die einen träumen davon, als YouTube-Stars durchzustarten und die anderen leben in der Vorstellung als E-Sportler ordentlich Kasse zu machen. Die Summen, die bei Weltmeisterschaften an E-Sportler ausbezahlt werden, haben mittlerweile astronomische Summen erreicht. Alleine die Preisgelder gehen in die Millionen und da sind Sponsoring und Merchandising noch gar nicht eingerechnet. Der Trend ist nicht mehr zu aufzuhalten – in Asien fühlen E-Sport-Events riesige Hallen, wo tausende Zuschauer ihre Idole anfeuern. Mittlerweile gibt es auch Bestrebungen E-Sport in den Olymp aufzunehmen.

In diesem Umfeld drängt sich die Frage auf: Wie hat sich eigentlich der Markt für Brettspiele entwickelt? Auf jeden Fall deutlich besser, als ich allgemein angenommen hatte. Analysten von „Research and Markets“ prognostizieren, dass der internationale Umsatz analoger Spiele bis 2022 Jahr für Jahr um neun Prozent wachsen wird. Wenn ich meinem Sohn zusehe, wie er an der Xbox zockt und davon nur schwer zu trennen ist, fällt es mir allerdings schwer, diesen Zahlen zu glauben.

Abendfüllende Begeisterung
Doch es gibt sie, die Momente, an denen sich mein Sohn, zwar unter anfänglichem Protest, doch von der Konsole trennt. Familienzusammenkünfte im größeren Stil, bei denen die Idee auftaucht, einen Spieleabend zu veranstalten, sind der passende Rahmen. Hier wird auf die Klassiker zurückgegriffen – Activity, Monopoly oder ganz einfach „Mensch ärgere Dich nicht“. Mit der Fortdauer des Spieles steigert sich auch der Begeisterungsgrad meines Sohnes und daraus entsteht ein abendfüllendes durch Interaktion getragenes Miteinander.

Allgemein liegen Kooperative und kommunikative Spiele heute im Trend, wobei sich auch Party-, Quiz und Strategiespiele hoher Beliebtheit erfreuen. Das Spielen beschränkt sich nicht mehr nur auf den Wohnzimmertisch, immer öfter bilden sich auch Spielerrunden, die sich etwa in dezidierten Spieler-Cafés treffen. Jedes Jahr werden alleine auf den deutschsprachigen Markt rund 350 neue Brettspiele lanciert. Nur wenige Neuvorstellungen halten sich aber auch länger am Markt, die meisten Spiele verschwinden nach ein paar Jahren sang und klanglos in der Versenkung.

In den USA funktionieren Unternehmen, die sich Brettspielen verschrieben haben, eher wie Videospielstudios, bei denen kleine Teams an einer neuen Idee basteln. In Europa betrachten sich viele Spieleentwickler hingegen als Einzelkämpfer: Ähnlich wie Schriftsteller schlagen sie ihr Werk Verlagen vor, die diese dann zur Marktreife bringen. Ein gutes Bespiel für einen solchen Autor ist Reiner Knizia. Er ist mit 600 Titeln einer der erfolgreichsten Spieleautoren Deutschlands.

Erfolgsfaktoren
Hilfreich für einen durchschlagenden Erfolg sind einerseits einfache Spielregeln und andererseits ein Alleinstellungsmerkmal. Am Ende muss ein Spiel aber einfach nur Spass machen, die Spieler aus der Reserve locken und auch nach mehreren Runde noch spannend sein. Im Idealfall entstehen während des Spiels Anekdoten, die man sich noch lange erzählt, womit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass man das Spiel wieder aus dem Regal holt. Mathematiker von der amerikanischen Cornell University haben jedoch berechnet, dass zwölf Prozent aller Partien klassischer Brettspiele endlos weitergehen, wenn niemand vorzeitig aussteigt.

Die Branche wird von den grossen Playern wie Hasbro,Mattel und Ravensburger angeführt, zu denen mittlerweile auch Asmodee gehört. Der Umsatz von Asmodee (Dobble, Dixt, 7 Wonders) hat sich nach eigenen Angaben in den letzten vier Jahren mehr als verdreifacht und lag allein in Deutschland 2017 bei knapp 20,2 Millionen Euro und mehr als 1,8 Millionen verkauften Spielen. Insgesamt setzt die Branche in Deutschland im Jahr 2016 400 Mio. um – der Umsatz von Videospielen war sechsmal höher.

Hybridspiele
Videospiele, vor allem auf Handys, werden mittlerweile nicht als Bedrohung, sondern als Erweiterung und Zusatzangebot gesehen. Apps bekannter Spiele steigern oft den Absatz von Brett- und Kartenspielen. Das Internet hilft den analogen Spielen ebenfalls: Spielebegeisterte organisieren ihre Treffen über das Internet und Spielentwickler versuchen ihre Idee über Crowdfunding zu finanzieren.

Viele Spieledesigner integrieren Handys oder Computer zudem in ihre physischen Brettspiele. Bei Ravensburger etwa machen derartige Hybridspiele, bei denen Smartphones fix ins Spielegeschehen eingreifen, bereits 30 Prozent des Umsatzes aus. Ein weiteres Beispiel dafür, dass sich digital und analog durchaus gegenseitig befruchten.

Ein Grund für das Umsatzwachstum bei den Brettspielen ist mit Sicherheit, dass viele Menschen einfach einmal im wahrsten Sinne des Wortes „digital abschalten“ möchten. Analog entspannen und im direkten Austausch mit Menschen stehen, darin liegen die Stärken von Brettspielen.

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